Gedanken an Asti

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Im Januar 2002 wurde ich auf eine 10 jährige blinde, zuckerkranke Hündin namens Asti in einem Tierheim aufmerksam (besser gesagt, ich wurde aufmerksam gemacht). Sie ist im Dezember 2001 von ihrer Besitzerin dort abgegeben worden, da sie in ein Pflegeheim mußte.

Asti ist innerhalb einer Woche im Tierheim erblindet, weil die Krankheit nicht rechtzeitig erkannt worden ist. Die Mitarbeiter des Tierheims starteten einen Notruf, da die Überlebenschancen für Diabetiker in Tierheimen sehr gering sind.
Ich hatte keine Ahnung, ob sie sich mit meinen anderen Hunden und vor allem mit meinen Katzen verstehen würde. Auskunft darüber konnte man mir nicht geben.

Auch wußte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht, ob ich mit der Krankheit Diabetes zurecht kommen würde. Ihre Größe war ebenfalls nicht ganz unerheblich, immerhin handelte es sich bei ihr um einen Irish Wolfshund Mischling.

Na ja, dachte ich mir, ich habe ein sehr großes Haus, einen riesigen Garten, bin immer Zuhause, warum eigentlich nicht? Zwar hatte ich eigentlich schon genug eigene Hunde, doch für Asti war dann sicher auch noch Platz. Es war nicht nur Mitleid, sondern auch eine Herausforderung für mich, diesem Hund noch ein wunderschönes Leben bieten zu wollen. Also fuhr ich in das Tierheim, schaute mir Asti in ihrem viel zu kleinem Zwinger in der Krankenstation an. Sie sah sehr traurig und verunsichert aus, strahlte dennoch sehr viel Charme aus.

Als ich sie so sah, gab es keine Bedenken mehr für mich, wie hätte ich sonst in Ruhe schlafen können, wenn ich Asti dort zurücklassen würde?

Ich unterschrieb die notwendigen Papiere und erfuhr ganz nebenbei, daß Asti zusätzlich noch eine sehr starke Augenentzündung, einen kleinen Herzfehler und einige Tumore hatte. Außerdem hätte man einige „Gegenstände“ aus ihren Pfoten heraus operiert (die ehemalige Besitzerin hatte wohl nicht bemerkt, daß Plastikteile in die Pfoten/Läufe eingewachsen waren) und gleichzeitig einen Tumor am Hals entfernt. In der Lunge waren laut Röntgenbild einige Schatten zu sehen, doch auf eine Diagnose diesbezüglich wollte sich niemand festlegen. Ich bekam einen Berg von Medikamenten in die Hand gedrückt.

Zuerst traute ich mich nicht danach zu fragen, tat es aber dann doch. Ich fragte, ob das Tierheim sich möglicherweise bei Spezialfutter und Medikamenten finanziell beteiligen würde. Zu meiner freudigen Überraschung wollten sie alle laufenden Tierarztkosten, die Kosten für Spezialfutter und Medikamente übernehmen. Sicher hätte ich Asti auch ohne diese Unterstützung zu mir genommen, doch war ich über diese Hilfe sehr dankbar.

Immerhin beliefen sich anfänglich die monatlichen Kosten nur für Futter und Medikamente auf ca. 150 –200 Euro.

Gott sei dank ist meine Mitarbeiterin Anne auch noch Krankenschwester und konnte mich ausführlich über die Krankheit informieren. Sie berichtete mir, wie Menschen behandelt werden und was alles zu beachten ist. Ich informierte mich zusätzlich bei einigen Tierärzten, über Diabetes bei Hunden, um Asti die bestmögliche Behandlung zu bieten.

Ich kaufte alles Nötige, war darauf vorbereitet absolut konsequent in der Vergabe des täglichen Futters zu sein, zwei mal täglich Blutzucker zu messen, Insulin zu spritzen und Buch darüber zu führen.

Die erste Woche bei mir Zuhause hatte ich Asti einen Platz in der Küche zurecht gemacht.
Ich wollte sie langsam an die neue Umgebung gewöhnen und ihr vor allen Dingen erst einmal Ruhe gönnen. Außerdem konnte ich so besser üben, ihr täglich am Ohr einen Tropfen Blut abzunehmen. Sie ertrug alles sehr geduldig.

Nach einer Woche wagte ich den ersten Versuch mit meinen 3 kleinsten Hunde, einen Kleinspitz und zwei Malteser Mischlingen. Nach anfänglichem Gekläffe – welches natürlich von den drei Kleinen ausging – tolerierten sich alle. Anschließend führte ich Asti in mein Wohnzimmer, zu meinen Katzen. Anfangs machte sie den Eindruck, als wolle sie sie fressen. Dies stimmte mich nicht gerade glücklich, da ich Asti natürlich nicht den Rest ihres Lebens in der Küche wohnen lassen wollte. Aber, was hatte ich auch erwartet?

In einer Woche in völlig fremder Umgebung und ihrer erst kürzlich erworbenen Blindheit und wenig Kenntnis über ihre Vergangenheit? Ich versuchte es also immer wieder unter kontrollierter Aufsicht (die Katzen hatten übrigens überhaupt keine Probleme damit, im Gegenteil, sie begrüßten Asti überschwänglich) – und siehe da, es funktionierte!!

Asti stieß nie irgendwo an, sie bewegte sich sehr langsam und vorsichtig. Es dauerte auch nicht lange (vielleicht 4 Wochen), da war Asti voll im Rudel akzeptiert, alle mochten sie, auch meine großen Hunde. Asti ließ die Katzen zufrieden und eroberte das Sofa. Sie bewegte sich auf dem Grundstück und im Haus zielstrebig ohne Probleme und wurde immer lebensfroher. Sie freute sich über jede Art von Zuwendung, egal ob von menschlicher oder tierischer Seite. Auf meinem Grundstück lief sie immer mit meiner ganzen „Horde“ mit, wenn alle bellten, bellte sie mit.

Ich ging mit ihr jeden Tag den gleichen Weg spazieren und sie rastete vor Freude schon aus, wenn sie den Weg erkannte. Es ist ein asphaltierter Feldweg, so konnte sie leicht spüren, wenn sie vom Weg abkam. Ich denke, das war sehr wichtig für sie, um sich sicher zu bewegen. Später ließ ich sie auch ohne Leine laufen, na das war ein Spaß!

Asti lief schnell vorweg und sah überschäumend vor Glück aus. Während des Spaziergangs redete ich ständig mit ihr (es war sehr anstrengend), damit sie immer wußte, wo ich war. Ich würde wahrscheinlich nicht jeden blinden Hund ohne Leine laufen lassen. Doch zwischen Asti und mir hatte sich in kurzer Zeit ein großes Vertrauensverhältnis aufgebaut, so daß ich es wagen konnte. Es gab nur ein paar ganz wichtige Dinge zu beachten:

Es mußte ein ihr vertrauter Weg sein, ich mußte mich sehr konzentrieren (nicht ablenken lassen) und ständig mit ihr sprechen, rief sie in kurzen Abständen immer mal zu mir, ich zog Schuhe mit einer harten Gummisohlen an und „schlürfte“, trug eine weite Nylonhose, die bei jeder Bewegung raschelte, so wußte Asti immer wo ich war, auch wenn ich mal nicht redete. Außerdem mußte die Gegend immer gut einsehbar sein, ansonsten war Asti angeleint.

Inzwischen liebte jeder Asti und sie selbst hatte überhaupt keine Probleme mit ihrer Blindheit mehr. Sie hatte immer gute Laune, begrüßte jeden Besucher überschwänglich und teilte sich das Sofa mit ihren drei besten Freunden, den beiden Malteser Mischlingen und einer Siamkatze. Sie liebte die Kleinen und ließ sich täglich die Ohren und Augen von den kleinen Rackern putzen.

Trotz ihrer Behinderung fing sie an mit Artgenossen zu spielen, selbstverständlich nur mit Hunden, die sie schon kannte. Ich behandelte sie (und tue es heute noch) wie einen gesunden „normalen“ Hund, hatte kein Mitleid mit ihr, damit könnte sie wahrscheinlich gar nichts anfangen, und behandelte sie auch nicht wie ein rohes Ei. Die medizinische Behandlung und die Futtermengen hielt ich konsequent ein, kein Leckerchen zwischendurch ( ich verbot auch anderen strickt, ihr etwas „zuzustecken“).

Im Herbst 2002 stellte sich heraus, daß Asti läufig wurde. Komisch, das Tierheim sagte, sie sei kastriert. Ein Drama begann, alle hier lebenden Rüden wollte sie besteigen, kastrierte und nicht kastrierte. Ihr Zuckerwert stieg ins Bedenkliche. Alle Tierärzte und Tierschützer rieten mir von einer Kastration auf Grund ihrer Krankheit und ihres Alters ab. Aber ich wußte, sie würde ohne Operation bald sterben. Ich gab nicht auf und fand einen Tierarzt, der sich mit Diabetikern sehr gut auskannte und diese auch operierte. Es war eine sehr aufwendige Operation, leider mußte auch die Milz entfernt werden, aber ich bin sehr froh über diesen Entschluß. Sie hat die Operation super überstanden.

Heute sind Asti, ich und all die anderen Vierbeiner hier sehr glücklich und zufrieden. Astis Gesundheitszustand ist so gut, daß sie weniger Medikamente braucht und somit auch nicht mehr so hohe Kosten verursacht. Außerdem geschehen auch noch Wunder: Astis Linse ist auf einem Auge zurückgefallen, so daß sie wieder zu 50 % sehen kann, zumindest auf einem Auge. Ich habe sehr viel durch Asti gelernt.

Sicher, ich muß auf einiges verzichten, schließlich bekommt sie zu bestimmten Uhrzeiten zwei mal täglich pünktlich ihr Futter und Insulin Spritzen. Alle zwei Tage wird Blutzucker gemessen.

Aber ich habe tolle Freunde, die auch in der Lage sind mich diesbezüglich zu vertreten und es auch gerne tun. Astis fröhliches aufgewecktes Wesen, ihre Anpassungsfähigkeit, ihr Lebenswillen und ihre liebenswerte Art sind der Dank für all die Arbeit. Ich genieße jeden Tag mit ihr und freue mich, sie so glücklich und zufrieden zu sehen. Asti macht auch überhaupt nicht den Anschein unglücklich oder krank zu sein. Sie verhält sich in der Umgebung die sie kennt genau wie jeder andere Artgenosse, in fremder Umgebung helfe ich ihr durch meine vertraute Anwesenheit.

Ich habe nicht einen Tag bereut, Asti zu mir genommen zu haben. Fremden Menschen fällt ihre Behinderung übrigens gar nicht, oder erst sehr spät auf. Das ist auch gut so, denn Mitleid wollen wir beide nicht. Heute brauche ich für Asti keine Leine mehr- wir sind ein eingespieltes Team. Ihr Gesundheitszustand ist trotz ihrer Krankheiten immer noch sehr gut. Ich hoffe, daß Asti noch ein ganze Weile bei mir bleibt.

Natalie Reineke, September 2003

August 2003:

Asti hat kein Diabetes mehr und braucht in Zukunft kein Insulin. Ein kleines Wunder!!

November 2003:

Keine gute Nachricht. Asti hat Leberkrebs im Fortgeschrittenem Stadium. Aber sie ist immer noch gut drauf, fröhlich und schmerzfrei.

Februar 2004:

Am 02.02.04 mußte ich leider Abschied von Asti nehmen und sie einschläfern lassen.

Es waren zwei wunderbare Jahre mit der lieben sanften Asti und alle Mühe hat sich wirklich gelohnt.